Radlager tauschen – so einfach geht’s

Beim Ausbau der Gespann-Winterräder im Frühjahr war mir aufgefallen, dass die Radlager vom Vorderrad im Eimer waren. Zwar noch nicht komplett fest, aber auf der Achse waren schon sichtbare Laufspuren. Neue Lager müssen her!

Radlager wechseln am Motorrad

(Hinweis: Die folgende Anleitung bezieht sich auf die Radlager an einer MZ ES 250/2. Sie lässt sich aber auf so ziemlich jedes andere Motorrad übertragen.)

Defekte Radlager ausbauen

Um die alten Radlager rauszubekommen, muss man die Lagersitze mit Lötlampe oder Heißluftfön ordentlich erhitzen. Dabei hilft der “Spucketest”: Etwas Spucke an den Finger und kurz an den Lagersitz tippen. Wenn’s zischt, ist die Temperatur okay.

Dann das Rad auf zwei Holzklötze legen (damit die Radnabe nicht auf dem Untergrund aufliegt) und das erste Radlager von innen vorsichtig mit einem großen Schraubenzieher (oder Durchschlag) und einem Hammer rausklopfen. Die Distanzhülse zwischen den Lagern lässt sich dafür ein bisschen zur Seite drücken, damit der Schraubenzieher auf dem Innenring des Lagers Halt findet. Damit das Lager nicht verkantet, immer abwechselnd links und rechts klopfen. Irgendwann macht es dann “Klonk” und das Lager liegt auf dem Tisch. Achtung, heiß! Wenn das erste Lager und die Distanzhülse draußen sind, geht es beim zweiten noch einfacher, da man dort wesentlich besser ansetzen kann.

Sollte ein Lager so festsitzen, dass es trotz Wärme und gefühlvoller Gewalt nicht rauskommt, hilft das Schweißgerät. Entweder eine alte Schraube quer über den Innenring schweißen, oder die Achsbohrung gleich komplett zuschweißen. Dann ist das Lager erstens ordentlich heiß und zweitens kann man sehr viel besser mit dem Schraubenzieher ansetzen, ohne abzurutschen oder das Lager zu verkanten. Ein paar kräftige Schläge mit dem großen Hammer und jedes noch so festsitzende Lager ist draußen.

Lagersitze und Distanzhülse prüfen

Bevor neue Lager eingesetzt werden, wird kontrolliert:
Sind die Lagersitze noch okay? In meinem Fall: Ja.
Ist die Distanzhülse noch okay? In meinem Fall: Nein.

Distanzhülse Vorderrad MZ

Das ist ein altbekanntes MZ-Problem, das wohl auf die DDR-Mangelwirtschaft zurückgeht. Beim Versuch, Material einzusparen, wurde hier etwas zu viel gespart: Die Hülse ist zu dünn und das Material zu weich. Wenn man die Achse zu fest anzieht, wird die Hülse leicht gestaucht. Sollmaß ist 37,2 mm, bei mir waren es noch 37,0 mm. Die Folge: Auf die Radlager wirken seitliche Kräfte, wodurch sie in kürzester Zeit verschleißen.

Wie bei vielen MZ-Problemen gibt es auch hier eine einfache Lösung: Verstärkte Distanzhülsen. Die kosten nur unwesentlich mehr als normale, halten aber ewig. Insofern sollte man beim Tausch immer gleich die verstärkte Variante nehmen.

Distanzhülsen Radlager MZ 250 Vorderrad

Links die originale Hülse (zu erkennten an der “Naht” auf der Innenseite), rechts die verstärkte.

Neue Radlager kaufen

Bei den Radlagern (6302 2RSH) nehme ich die beidseitig abgedichtete Version. Noname-Lager sind nur unwesentlich billiger als Markenlager, deshalb leiste ich mir vernünftige, z.B. von SKF. Die gibt es bei den üblichen MZ-Teilehändlern. Beim Lagerhändler oder bei eBay sind die erfahrungsgemäß etwas günstiger.

Und alles wieder zusammenbauen

Der Einbau läuft wie der Ausbau, nur umgekehrt: Lagersitz säubern, Radnabe erhitzen, ein Lager vorsichtig mit dem Hammer einschlagen. Dabei nicht direkt auf das Lager schlagen, sondern das alte Lager als Auflage verwenden. Immer abwechselnd links und rechts auf den Außenring schlagen, damit das Lager nicht verkantet. Jetzt die Distanzhülse (richtig herum) einsetzen und das zweite Lager einschlagen.

Wenn die Lagersitze gut erhitzt sind, sollten die neuen Lager ohne großen Widerstand reinrutschen. Das ist völlig unbedenklich, solange im kalten Zustand nichts rumklappert. Und sollte ein Lagersitz doch mal so verschlissen sein, dass das neue Lager keinen sicheren Halt findet, kann man es guten Gewissens mit Lagerkleber einkleben.

Auf den richtigen Sitz kommt es an

Unbedingt darauf achten, dass die Lager wirklich komplett eingeschlagen sind! Wenn die Distanzhülse lose hin- und herwackelt, sind die Lager nicht weit genug drin und würden bei angezogener Achse durch die seitliche Belastung schnell verschleißen. Das Gleiche passiert, wenn die Lager zu tief eingeschlagen sind. (Was normalerweise kaum möglich ist.) Das erkennt man daran, dass sich die Lager nicht frei drehen lassen. Wenn die Lager sich (mit einem gewissen Widerstand) frei drehen lassen und die Distanzhülse nur geringes Spiel hat, passt alles. Das Rad kann wieder eingebaut werden.

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8 Gedanken zu „Radlager tauschen – so einfach geht’s

  1. Hallo, Lager sollten wir nicht schlagen, alte schon, die neuen haben nichts verbrochen. Ich verwende eine Gewindestange und dicke Scheiben. Pressen ist schonender! LG Christian

    • Hallo Christian,
      danke für Dein Feedback!
      Das kannst Du natürlich gerne so machen, aber ich sehe da keinen Vorteil, eher Nachteile. Wenn der Lagersitz ordentlich erhitzt ist, ist das Lager mit wenigen Schlägen dort, wo es hingehört. Das ist eine Sache von wenigen Sekunden. Wenn Du es einpresst, dauert das deutlich länger. Es kann also viel mehr Wärme vom Lagersitz auf das Lager übergehen. Dadurch kühlt der Lagersitz ab und zieht sich zusammen, das Lager erwärmt sich und dehnt sich aus. Dadurch hast Du mehr Verschleiß als ich.
      Und warum schlägst Du nur das Lager aus aber nicht ein? Dem Lager ist das Schlag doch egal. Wenn man nicht direkt auf das Lager schlägt, verformt sich da nichts. Die Gefahr ist nur, dass sich das Lager verkantet und dadurch der Lagersitz Schaden nimmt. Dabei ist es aber egal, ob es beim Ein- oder Ausschlagen verkantet. Oder sehe ich das falsch?
      Viele Grüße,
      Martin

  2. Hallo, Lager sollten wir nicht schlagen, alte schon, die neuen haben nichts verbrochen. Ich verwende eine Gewindestange und dicke Scheiben. Pressen ist schonender! LG Christian
    Hallo Martin,
    danke für die Antwort. Lager sind Präzisionsteile und jede dynamische Krafteinwirkung s.g. Schläge verursachen an den Berührungspunkten im Lager zwischen Kugel-Außen und Innenring Beschädigungen und daher verkürzt man die Lebensdauer des Lagers. Es gibt eine Interessante Broschüre von FAG (Schäffler) in der es ebenfalls beschrieben ist wie man fachgerecht die Lager montiert.
    Da ich gelernter Maschinenschlosser einer großen Motorenfirma bin und als Maschinenbautechniker als Konstrukteur tätig bin und in der Freizeit Schrauber bin Auto und Motorrad, würde ich jedem empfehlen die Lager ein zu pressen und zwar am Außenring.
    Hier der Link dazu:
    https://www.schaeffler.com/remotemedien/media/_shared_media/08_media_library/01_publications/schaeffler_2/manualmountingoperation/downloads_7/wl_80100_3_de_de.pdf
    Ist sehr interessant.
    Generell sollte man auch sich Zeit lassen bei der Reparatur.
    Die Gefahr des Verkantens ist beim Einpressen eliminiert, da man das Lager am Außenring gleichmäßig belastet.
    LG vom Bodensee
    Christian

    • Hallo Christian,
      vielen Dank für die detaillierten Infos. Ich habe mir die entsprechenden Stellen in der Broschüre gerade durchgelesen. Wirklich sehr interessant! Insofern glaube ich Dir bzw. Schäffler gerne, dass das Einpressen die bessere Methode ist.
      Interessant ist es aber auch deshalb, weil viele Motorradhersteller in ihren Anleitungen das Einschlagen von Lagern (ggf. mit dazu passenden Spezialwerkzeugen) explizit empfehlen. Mir ist zumindest nichts Gegenteiliges bekannt. Und auch in Werkstätten ist das meines Wissens die gängige Methode.
      Ich wage deshalb das Fazit, dass Einpressen theoretisch die bessere Methode ist, im Normalfall und bei richtiger Anwendung aber beide Methoden zum Ziel führen. Ist das ein Kompromiss? 😉
      Viele Grüße,
      Martin

  3. Hallo Martin, absolut deiner Meinung, man muss auch den Einsatzzweck und die Drehzahl sowie Dauer usw. betrachten, rohe Eier sind da Lager auch nicht.
    Ich denke bei den Radlagern im Auto ist es wichtiger diese ein zu pressen als beim Motorrad. Inso fern denke ich wird es beim Motorrad keinen so großen, messbaren Unterschied ausmachen. Wichtiger ist, dass man beim Einbau darauf achtet, dass man die Dichtungen der Lager nicht beschädigt.
    Abgesehen davon und dem Thema, muss ich dir ein dickes Lob aussprechen, wie du deine Webseite gestaltet hast und was du so alles “old Shool” mäßig mit den Mopets so treibst. Vor allem dein Brandzeichen hat mich sehr imponiert. Falls du mal ne Tour an den Bodensee machen möchtest bist bei uns herzlich eingeladen dann kann ich dir unser Allgäu mal zeigen.
    Viele Grüße vom schwäbischen Meer.
    Christian Kentner

  4. Da schreib ich auch mal etwas dazu ;).

    Danke erst mal für den Tip mit dem Anheizen, klappte prima und ohne gingen die Dinger nicht raus( da sind die Lagersitze der nabe wohl noch prima).

    Lager können natürlich eingeschlagen werden, das ist kein Problem und meist auch gar nicht anders möglich. Wichtig ist, dass man bei Lagern, die (ggf. auch) axiale Kräfte aufnehmen müssen, auf den Ring schlägt, der später fest sitzt, also in unserer Nabe nicht auf den Innenring sondern auf den Außenring (beide zusammen geht in unserem Fall auch).
    Versucht man hier, den später festsitzenden Außenring über den Innenring (also die Wälzkörper/Kugeln) einzuschlagen, gibt es was für die Schrottkasse. vermeiden.

    Viele Grüße und Danke nochmal.

  5. Leider fehlt wie immer der wichtigste Tipp, nämlich wenn nicht alles nach Plan A verläuft. Bei mir haben sich die Lager zerlegt und beim Ausbau zerbröselt. Nun ist der äussere Lagerring in der Nabe und bietet keinen Ansatz zum raushauen. NULL.
    Und jetzt ?

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